Heidi Sessner (Jesberger)

Foto: Bruno Fischer
Foto: Bruno Fischer

Geburtstag: 16. November 1977
Geburtsort: Bad Mergentheim
Größe: 173 cm
Gewicht: 58 kg
Wohnort: Assamstadt und Roth
Erster Triathlon: 1993 in Waiblingen

Erster Ironman: 2001 ITU Langdistanz-WM in Fredericia
Internetseite: www.heidi-sessner.de



Entspanntes Lauftraining. Foto: Bob Hoy
Entspanntes Lauftraining. Foto: Bob Hoy
Wenige Meter vor dem Zieleinlauf als Dritte beim Ironman China, 2010.
Wenige Meter vor dem Zieleinlauf als Dritte beim Ironman China, 2010.
Im Ziel! Hawaii-Quali beim Ironman China, 2010.
Im Ziel! Hawaii-Quali beim Ironman China, 2010.
Auf Lanzarote. Foto: Bruno Fischer.
Auf Lanzarote. Foto: Bruno Fischer.
Radtraining auf Lanzarote. Foto: Bob Hoy.
Radtraining auf Lanzarote. Foto: Bob Hoy.

Hallo Heidi, ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel, dass ich zuerst nach Deinen beiden DNFs im Jahr 2010 frage. Wie kam es, dass Du innerhalb von nur drei Monaten gleich zweimal ausgestiegen bist?
Ach, das war einfach zu dumm. Seit 18 Jahren betreibe ich nun schon Triathlon, und diese zwei DNFs waren die bisher einzigen in dieser ganzen Zeit. Ich hatte mich schon im März 2010 mit meinem dritten Platz beim Ironman China für Hawaii qualifiziert und war top in Form. Deshalb hatten wir relativ kurzfristig beschlossen, dass ich noch beim Ironman Zürich starten sollte, um diese tolle Verfassung zu nutzen.
Und in der Tat bin ich dort als zweite Frau aus dem Wasser gekommen, was mich total überrascht hat. Auch auf der Radstrecke lag ich ständig auf Platz zwei oder drei und war von Pressemotorrädern umringt. Eine Situation, die ich sonst gar nicht kannte, weil ich nach dem Schwimmen meist deutlich weiter hinten liege. Und dann habe ich vor lauter Euphorie vergessen zu essen! Bei KM 160 hat mich ein Hungerast erwischt, und da gibt es auch noch einen längeren Anstieg. Den musste ich mich regelrecht hochquälen. Auch beim Laufen konnte ich mich dann nicht mehr erholen, so dass Jürgen, mein Freund und Trainer, mir dann geraten hat auszusteigen, um mich so kurz vor Hawaii nicht völlig platt zu machen.
Tja, und auf Hawaii hatte ich dann wirklich Pech: Bei Radkilometer 20 hatte ich einen Platten, den ich mit einem Reparatur-Gel gut beheben konnte – aber fünf Kilometer später war schon wieder ein Loch drin. Blöderweise hatte ich nur ein Gel dabei, und so musste ich auf einen Materialwagen warten. In der Zwischenzeit fuhren allmählich auch die Altersklassenathleten an mir vorbei, die ja eine halbe Stunde nach uns gestartet waren, und als 30 Minuten später endlich der Materialwagen kam, war ich mit den Nerven am Ende. Ich war einfach so motiviert und gut in Form gewesen, dass ich nicht damit umgehen konnte, allenfalls noch unter die ersten hundert zu kommen. Letzten Endes bin ich dann ausgestiegen, war aber danach erst recht deprimiert. Als ich meine Eltern, meinen Freund und einige Freunde angerufen habe, klangen auch sie total enttäuscht, so dass ich angefangen habe, an mir zu zweifeln, das gesamte Training in Frage zu stellen und zu überlegen, ob ich nicht besser ganz mit Triathlon aufhören sollte.


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Na, das hast Du ja zum Glück nicht getan! Aber welches Fazit ziehst Du jetzt aus Deinen DNFs?
In Zürich war es sicherlich sinnvoll, nach dem Ernährungsfehler noch größeren Schaden zu vermeiden und auszusteigen. Auf Hawaii habe ich in dem Rennen keinen Sinn mehr gesehen – schließlich gehe ich nicht an den Start, nur um dabei zu sein. Ich muss mir auch nicht mehr beweisen, dass ich finishen kann, das habe ich schließlich oft genug gezeigt. Aber ich habe auch gemerkt, dass die Enttäuschung über den Rennabbruch noch schmerzhafter war als wenn ich weitergemacht hätte. Immerhin hat man als Profi auch eine gewisse Vorbildfunktion, und es wirkt nicht besonders professionell, bei einem Problem einfach auszusteigen. Also für mich steht fest, dass ich nur noch im äußersten Notfall ein Rennen abbrechen werde!

Du hattest ja vorher schon ein paar Mal mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und bist immer wieder zurückgekommen. Wie schwer war das?
Ich hatte insgesamt vier größere Verletzungen: einen Ermüdungsbruch im Mittelfuß, eine Nierenbeckenentzündung und zwei Fersensporne. 2003 habe ich mir nach dem Ironman auf Hawaii im Whirlpool eine Blasenentzündung geholt, die ich aber gar nicht richtig wahrgenommen und somit auch nicht behandelt habe. Und dann hat sie sich ins Nierenbecken verschoben, was langwierig auskuriert werden musste. Im November 2005 hatte ich den ersten Fersensporn und war äußerst motiviert, so schnell wie möglich wieder mit dem Sport zu beginnen, auch wenn es ein sehr langer Weg war. Als aber 2007 – gerade mal ein Dreivierteljahr nach der Heilung – der zweite Fersensporn auftrat, war ich echt frustriert. Vor allem, weil die Schmerzen ständig schlimmer wurden, statt weniger. Zum Glück haben meine Eltern, mein Freund und meine Freunde mich in dieser Zeit toll unterstützt und von dem Gedanken ans Aufhören abgebracht. Das war für mich die härteste Zeit.

Jetzt haben wir so viel über Probleme und Gedanken ans Aufhören gesprochen, dabei wirkst Du eigentlich, als hättest Du extrem viel Spaß am Triathlon...
Das stimmt! Ich liebe den Sport und habe ja auch schon als Kind damit angefangen. Deshalb ist es für mich auch so schwer, wenn ich plötzlich gegen meinen Willen ausgebremst werde!

Wann und womit hast Du denn angefangen?
Als ich sechs war, hat mein Vater die Leichtathletik-Abteilung des TSV Assamstadt gegründet, in der er mich und einige andere Kinder betreut hat. Er war früher Langstreckenläufer und ist alles zwischen 10 Kilometer und Marathon gelaufen, aber mit uns hat er natürlich vor allem Sprints und Dreikampf oder anderes Geschicklichkeitstraining gemacht.

Hat sich da schon Deine sportliche Veranlagung gezeigt?
Eigentlich nicht. Die meisten anderen Kinder waren besser als ich, und so waren wir hauptsächlich als Mannschaft erfolgreich. Erst später, als ich dann fleißiger trainiert habe, kamen auch die Einzelerfolge.

Deine Lieblingsdisziplin ist aber nach wie vor das Laufen?
Man macht ja in der Regel das am liebsten, was man gut kann. Bei mir war das nun mal das Laufen. Durch die Fersensporne konnte ich aber längere Zeit kaum laufen, sondern allenfalls Aquajogging machen und Radfahren. Von daher sind meine Radzeiten in den letzten Jahren deutlich besser geworden, und das Training macht mir auch mehr Spaß als vorher.

Das klingt, als hättest Du das Radfahren vorher nicht so gemocht?
Nun ja, gemocht schon. Aber leider war ich sowohl beim Schwimmen als auch auf dem Rad deutlich schwächer als beim Laufen. Als ich Ende der Neunziger Jahre im B-Kader der Nationalmannschaft war und von den Olympischen Spielen 2000 in Sydney geträumt habe, hat mir das einen Strich durch die Rechnung gemacht.


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Inzwischen bist Du aber hauptsächlich auf der Langdistanz aktiv, oder?
Ja, denn bei einem Ironman hat eigentlich jeder die Chance zu gewinnen. Wenn man auf der Olympischen Distanz nicht in die erste oder zweite Radgruppe kommt, hat man bei der Windschattenfreigabe schon so gut wie verloren. So viel Zeit kann man beim Laufen gar nicht mehr rausholen. Außerdem ist es natürlich auch der Mythos Hawaii, der für die Langdistanz spricht!

Apropos Hawaii. Das Quali-System für Profis hat sich in diesem Jahr geändert. Wie bewertest Du das?
Nun ja, das Punktesystem zwingt die Profis, mehr Rennen zu bestreiten und bindet sie natürlich stärker an die Marke IRONMAN. Der Druck, über längere Zeit auf höchstem Niveau Leistung zu bringen, kann dazu führen, dass man überzieht und zu wenig regeneriert. So war beispielsweise im März beim Ironman 70.3 in San Juan die Konkurrenz schon viel früher als sonst in erstaunlich guter Form. Normalerweise komme ich dank unserer Rad-Trainingscamps auf Lanzarote besser durch den Winter als viele andere. Aber diesmal war die Leistungsdichte deutlich höher.

Lange Zeit hat Dich Dein Vater trainiert, und jetzt ist es Dein Lebenspartner Jürgen. Ist es leichter, von einem nahestehenden Menschen trainiert zu werden als von einem „Fremden“?
Ich finde es insofern einen Vorteil, als sowohl mein Vater als auch Jürgen mich sehr genau kennen und beispielsweise schon morgens beim Aufstehen sehen, ob ich eher gut oder weniger gut drauf bin. So können wir viel flexibler reagieren und eine Einheit auch mal lockerer oder härter machen als ursprünglich geplant.
Außerdem erzähle ich gern nach dem Training zu Hause, wie es lief und wie ich mich gefühlt habe. Aber ich würde nicht unbedingt ständig zum Telefon greifen, um einem außenstehenden Trainer alle Einzelheiten mitzuteilen. Da würde ich meinen Plan eher durchziehen und weniger an die jeweilige Tagesform anpassen.

Dann wünsche ich Dir, dass Du eine perfekte Mischung aus Belastung und Regeneration findest, um auf Hawaii ein tolles Rennen hinzulegen! Und vielen Dank für das nette Gespräch.

 

(April 2011)


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